Was ist ein Sokratisches Gespräch?

5 bis 8 Leute treffen sich für ein Wochenende oder (Luxus!) für eine ganze Woche an einem guten Ort. Raus aus dem Alltag. Mit Lust auf Kommunikation, Denken, intensiven Austausch. Ein in der Methode geschulter Moderator/eine Moderatorin ist als Begleiter (nie als Lehrer) dabei, der die Leitfrage der Gesprächstage mitbringt und für einen guten Prozess verantwortlich ist. „Was ist Freundschaft?“ zum Beispiel. „Wann beende ich eine Beziehung?“. „Was ist Glück?“. Solche Fragen.

Die Gespräche heißen ’sokratisch‘, weil es auch dem historischen Sokrates um die Klärung von Begriffen ging, um das Hinterfragen der verwendeten Wörter. „Was bedeutet denn eigentlich …?“, „Sag mir, mein Freund, was meinst Du denn mit …?“. Und weil Sokrates dies eben im Gespräch tat; nicht in Vorlesungsform, nicht in Buchform, sondern im Dialog auf dem Marktplatz in Athen, auf den Steinen, in der Sonne, als engagierter kritischer Bürger im Dialog mit anderen.

Die Gespräche heißen ‚philosophisch‘, aber man muss keine Philosophen gelesen haben, das kann sogar hinderlich sein. Und das Zitieren von irgendwelchen Autoritäten („Ja aber bei Kant steht …“, „Ich bin da ganz bei Wittgenstein! In seinem …“) ist schlicht verboten. Da geht der Moderator/die Moderatorin freundlich aber bestimmt dazwischen. Es geht um das Selbstdenken und ums gemeinsam Denken. Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern um die gemeinsame Untersuchung der Frage und ihrer Verästelungen, ihrer Hintergründe. In einem Geist des Interesses, der Offenheit, der Neugierde. Das ist sehr sprachanalytisch, sehr rational – und sehr persönlich beteiligt zugleich.

Wie machen wir das? Am Anfang des Gesprächs sammeln wir Erfahrungsbeispiele. Ganz konkrete ’normale‘ Beispiele sind das, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Leitfrage einfallen. Wann hast Du Freundschaft erlebt? In einer ganz konkreten Situation, bei der man dabei war, die man mit allen nötigen Details erzählen kann. Nichts Allgemeines, nichts Abstraktes, kein Gerede. Damals, ach ja … jetzt fällt es mir wieder ein … das war für mich wirklich Freundschaft!
Die Gruppe wählt eines der Beispiele aus, es wird am Flipchart kurz notiert als Arbeitsgrundlage, dann wird es gemeinsam näher untersucht.

Die Frage an die Beispielgeberin, warum genau diese Episode für sie ein Beispiel für Freundschaft war, ist der erste Schritt zu allgemeineren Aussagen, Einsichten. Weil … Und über diese Gründe tauschen wir uns dann aus. Was zu weiteren Gedanken führt, über die vielleicht erst eine Verständigung nötig ist. Habe ich wirklich verstanden, was Petra gesagt hat? Habe ich die beiden Begründungen, die sie angeführt hat, wirklich erfasst? Es wird viel nachgefragt, in eigenen Worten wiederholt. Habe ich Dich wirklich verstanden? Und: kann ich dem zustimmen, meine ich das auch? Wenn nein, warum? Und wie finden sich die Gedanken, auf die wir da kommen, eigentlich in unserem Beispiel wieder (denn das wollten wir ja tiefer verstehen) – oder haben wir uns in Abstraktes verstiegen? Intensive Tage! Mit einer seltenen Qualität von wirklichem Austausch und Verständigung.

Im Idealfall stehen am Ende ein zwei Sätze zum Thema Freundschaft am Flipchart, denen alle Mitglieder der Gruppe zustimmen können, zugestimmt haben. Erarbeitete, mit Erfahrung aufgeladene Sätze, unsere Sätze, unsere Gedanken. ‚Konsens‘ im dichten, im erlebten Sinn.


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