Bloße Technik oder echte Haltung?

Kann man eine Haltung lernen? Kann eine Haltung gelehrt werden? Kann man z.B. so etwas wie ‚Zugewandtheit‘ in eine Verhaltensbeschreibung umsetzen und dann als ‚Kommunikationstechnik‘ jemandem beibringen? Kann man dazu ein ‚Training‘ gestalten, konkrete Übungen entwickeln? Weitere Beispiele wären ‚ein guter Zuhörer sein‘ oder ‚Kundenfreundlichkeit‘ oder (im Medizinbereich) ‚Patientenorientierung‘. Dinge, die wir eher mit einer inneren Grundhaltung (fast mit einem Charakterzug) verbinden als mit einer Liste von How-tos.

„Gestern in der Beratung bei Angelika – es war ein gutes Gespräch, sie ist ein sehr zugewandter Mensch!“. Wir würden die Zugewandtheit von Angelika eher auf diese Weise beschreiben als aufzuzählen, was sie konkret gemacht hat um so zu wirken. Hat sie es überhaupt ‚gemacht‘ – oder ist sie einfach so ein Mensch, hat sie einfach so eine Grundhaltung, so eine Persönlichkeit, die man dann als Gegenüber eben spürt?

Wenn man Beratungsgespräche, die Angelika mit Klienten durchführt, per Kamera aufnehmen würde, wäre es sicher möglich, einige konkrete Verhaltensweisen zu finden und zu beschreiben, die zur Wirkung der ‚Zugewandtheit‘ beitragen, sprachliche wie nonverbale. Wie beginnt sie die Gespräche? Wie ist ihre Körpersprache in den diversen Situationen? Redet sie generell weniger oder mehr als ihre Klienten? Was sind die beobachtbaren Elemente, die dem Aufbau von Beziehung und Vertrauen dienen? Mit welchen sprachlichen Elementen drückt sie Verständnis oder Ermunterung aus? Was genau sagt sie, wenn das Beratungsgespräch einmal ins Stocken kommt? Lassen sich besondere Fragetechniken finden? Welche sprachlichen Strategien der Umdeutung, des positiven Reframings setzt sie ein? Zeigt sie etwas von sich selbst (und in welchem Maß) oder ist sie ’neutral‘ (und wie genau macht sie das)? Gibt Angelika eher Anweisungen oder macht sie eher Vorschläge und Angebote (und wie genau formuliert sie das)? Wie verabschiedet sie ihr Gegenüber? Gibt es eine Art ‚Schlussmoderation‘, damit das Gespräch nicht einfach so (weil die Zeit um ist) abbricht sondern ’sanft‘ und vielleicht mit einem positiven Rück- und Ausblick endet? etc.

Es wäre sicher möglich, zum Zweck der Ausbildung von BeraterInnen daraus eine Liste bewährter Verhaltenselemente zu entwickeln, sogar Textbausteine und Übungen, die den Auszubildenden helfen, mit diesen Elementen Erfahrungen zu machen und sie in das eigene Beratungsrepertoire zu integrieren. Ob man dies nun ‚Beratungsmethoden‘ oder ‚Werkzeugkoffer‘ oder ‚Kommunikationstechniken‘ nennt – wesentlich ist die präzise Beschreibbarkeit der einzelnen Elemente. Die einzelne auszubildende Person mag bestimmte Begabungen mitbringen, aber auch persönlichkeitsbedingte Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten – dennoch: Was beschreibbar ist, ist (zumindest grundsätzlich) auch lehrbar, trainierbar.

Aber wie verhält es sich? Ist damit auch die Haltung gelehrt? Oder ist das nur ein äußerliches, ‚aufgesetztes‘ Nachmachen von Technikstückchen? Nichts schlimmer als auswendig gelernte Empathietextbausteine („Ich verstehe genau was Du meinst!“), die das Gegenüber einem bei inkongruenter Performance (zu Recht) nicht abkauft.


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