Ein Sokratisches Gespräch wird in der Regel angeboten/beworben mit einer vorformulierten Frage. „Was ist Freundschaft?“, „Was ist ein gelungener Tag?“, „Wann übernehme ich die Führung?“. Will man also ein Gespräch anbieten – wie geht man vor, um diese Frage zu finden?
Zwei Szenarien sind denkbar:
(1) Mir fällt spontan eine Formulierung in Frageform ein.
(2) Ich habe eine vage Idee eines Themenbereichs oder einer Situation, die ich beleuchten will.
Im Fall (1): Notiere die Frage und notiere einige Varianten zu Deiner Formulierung.
Im Fall (2): Was ist der zentrale Begriff Deiner Themenidee, Deines Interesses? Worum geht es da im Kern? Notiere Begriffe und Varianten. Dann notiere mögliche Fragen dazu.
Beispielsweise möchte ich, inspiriert von meinen eigenen Erfahrungen als Bergwanderführer, mehr gedankliche Klarheit über die Situation bzw. Rolle gewinnen, in der ich dabei bin; nämlich verantwortlich für die Gruppe zu sein, die ich im Gebirge führe. Sei es ehrenamtlich im Deutschen Alpenverein oder kommerziell für zahlende Gäste einer Bergschule. Beides hat vielerlei Aspekte: Die Zufriedenheit der Teilnehmer, das Funktionieren im Organisatorischen, die Sicherheit der Gruppe in schwierigem Gelände und bei Wetterumschwüngen, das Berücksichtigen der leistungsmäßigen Heterogenität der Einzelpersonen, mein kompetentes Entscheiden und Handeln in potentiell lebensgefährlichen Notsituationen etc.
Spontan fällt mir dazu die Formulierung ein: „Was heißt das eigentlich: Ich bin (in der Führungsrolle) für eine solche Gruppe verantwortlich?“
Leite ich ein Sokratisches Gespräch, geht es freilich nicht um meine eigene Situation, sondern um Erfahrungsbeispiele der Teilnehmer. Ich formuliere meine Frage also allgemeiner: „Was heißt das: Verantwortung für eine Gruppe haben?“
Ich probiere (schriftlich in meinem kleinen Notizbuch, passenderweise vor einer Berghütte sitzend) mit Formulierungen herum und denke über Implikationen, Vor-/Nachteile und Unterschiede nach:
- „Was bedeutet Verantwortung?“ (zu weit gefasst, mich interessiert die spezielle Rolle der Führung/Leitung einer Gruppe)
- „Was bedeutet Verantwortung für eine Gruppe?“ (schon besser weil spezifischer, aber kein gutes Deutsch, zudem mehrdeutig)
- „Ich bin für diese Gruppe verantwortlich“ (das scheint mir, marketingtechnisch, für einen Leser wesentlich ansprechender als das gebräuchlichere Frageschema „Was bedeutet … ?“, da der Leser direkt in die 1.Person-Perspektive versetzt wird, aus der heraus er/sie ja im Gesprächsverlauf sein/ihr eigenes Erfahrungsbeispiel erzählen soll. ‚Diese‘ weist auf eine konkrete erinnerte Beispielsituation. Aber: für jemanden, der mit Sokratischen Gesprächen nicht vertraut ist, wird mit diesem Titel nicht unmittelbar klar, dass da eine Frage gestellt und beantwortet werden soll, dass es um die Klärung von Begriffen geht).
- „Was bedeutet es, für eine Gruppe verantwortlich zu sein?“
Schließlich entscheide ich mich für: „Was bedeutet: Ich bin für diese Gruppe verantwortlich?“
Schreibe einen Kommentar